Donnerstag, 29. Dezember 2016

Die Flamingos kommen…

…wäre eine der vielen möglichen Wortursprünge von Flamenco. Der Balztanz der Flamingos erinnert schon ein wenig an die aufrechte Haltung des Oberkörpers, die Bewegungen von Kopf und Armen und die stampfenden Füße der Tänzer_innen.
Flamenco Festival – Flamenco vivo – und dann dieses Bild. Stereotype Unterhaltungsshow, Exotisierung… na super! Zum Glück wurden meine Erwartungen absolut enttäuscht. Diese Unterhaltungsshows, die sowohl im TV angepriesen als auch übertragen werden, mit Tanz, schlecht gemachtem Musical oder anderen oberflächlichen „Künsten“, haben mich so gepolt, dass erst der Auftritt dieser sehr sympathischen Gruppe meine Vorurteile für den bevorstehenden Abend widerlegen konnte.
Simone Abrantes und Cayetana de Ronda waren die Tänzerinnen des Abends. Nur eine in den Tänzen angelegte, gespielte Rivalität, eher aber ein Nebeneinander wird im gemeinsamen Tanz sichtbar. Beide freuen sich über die Soli der anderen, besonders als de Ronda ihre Kastagnetten rausholte, strahlte Abrantes die ganze, wirklich beeindruckende Vorstellung über ihre Kollegin an. 
Begleitet wurde der Tanz von Georg Kempa auf der Gitarre und Azusa Krist mit der Viola. Carmen Celada sang zu den Tänzen. Zwar kam sie bei einigen Passagen an ihre sängerischen Grenzen, die volkstümlichen Gesänge meisterte sie jedoch mit Bravur. Sehr leidenschaftlich erzählte und sang sie von leidenden Mienenarbeitern, Mondkindern und galicischen Frauen und ließ alle staunen als sie zum Ende hin einen Rumba sang und tanzte. Georg Kempa begleitete wirklich schön. Sehr schnelle Finger, sehr rhythmisch und melodisch zugleich. Am eindrucksvollsten fand ich allerdings die Viola. Azusa Krist, die eigentlich Geige spielt, konnte besonders in dem Solostück mit dem Gitarristen beeindrucken, man merkte ihr an, dass sie sowohl Flamenco als auch klassisch spielt. Die Verstärkung der Gitarre und der Gesangsstimme war an einigen Stellen etwas unpassend eingestellt bzw. genutzt. Zu viele Tiefen bei der Gitarre, die Sängerin kam öfter zu dicht ans Mikro.
Der Abend war leidenschaftlich, wie die Tänze des Flamenco, und zeigte, dass professionell Musik zu machen, nicht bedeuten muss, jeden Ton richtig zu spielen oder an einer Hochschule studiert zu haben, sondern vor allem daraus erwächst, mit ganz viel Liebe für die Kunst mit anderen diese Liebe weiterzugeben, sei es an ein Publikum oder im Unterricht, den fast alle auf der Bühne sogar überraschend preiswert in Berlin (Workshops auch wo anders) geben. Statt Show sind Natürlichkeit und Spaß am Musizieren und Tanzen auf der Bühne des kleinen Saals der Laeiszhalle zu sehen, was mit großem Applaus belohnt wird.
Ich könnte zu jedem Stück eine halbe Seite schreiben, der Abend war überraschenderweise ein schönes Ereignis von Kultur, die mir ansonsten recht fremd ist. Diese wurde aber nicht als rein exotisch dargestellt, sondern als eine Ausdrucksform, die jeden erreichen kann. Die Darsteller_innen feierten den Flamenco von traurig bis ekstatisch und das teilweise in einem Stück. Definitiv empfehlenswert entweder mal einen Workshop zu besuchen und ein wenig von dem Stolz zu lernen, den der Tanz transportiert oder den nächsten Auftritt zu genießen!

Audioversion des Textes hier:
Das Tor zur Welt

Flamenco Vivo
Laeiszhalle - Kleiner Saal
28.12.2016

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