Das gestrige Konzert vom NDR Elbphilharmonieorchester mit
Manfred Honeck (Dirigent) und Florian Sempey (Bariton) war alles in allem
wunderbar und vor allem emotional. Es begann mit einer mir nicht bekannten Orchesterfassung
von Dvořáks Oper „Rusalka“ (Wikipedia: Rusalka (Oper)). Zusammenspiel allerdings
schnell vor den Augen. An einigen Stellen jedoch ist das Stück recht kitschig,
da musste auch mein Nachbar ein wenig lachen. Die Streicher hatten einen
wunderbar homogenen Klang und das Zusammenspiel von Holz und Bässen ist nur als
zauberhaft zu beschreiben. Dvořáks musikalisches Tanzgewirr ist wie für das
Orchester geschrieben. Die Eröffnung des Konzerts gelingt.
Florian Sempey war eine Erscheinung für sich. Ganz Opernsänger
zog er einen mit Chaussons „Poème de l’amour et de la mer“ (Übersetzung) in den Bann der
Geschichte. Seine Stimme hat eine wunderbar dunkle Farbe und ist in jeden Fall über
das Orchester, welches das gesamte Stück über schillernde Klänge produziert, hinaus
hörbar. Teils gab er jedoch so viel Kraft, dass es zu viel für den Raum war. Seine
leisen Töne waren die überzeugendsten. Und wie überzeugend! Dramatisch und im
Geschehen versunken singt er, nein lebt jeden einzelnen Satz und sogar seine
Pausen. „Die Seele meines Daseins ist mir entrissen...“, das Publikum wird
hineingesogen. Auch im Pausengespräch mit Freunden war sofort Thema, wie sehr
sie sich persönlich angeschaut und angesprochen fühlten. Jede/Jeder war die
verlorene Liebe. Am Ende blieb eine Mischung aus eigener Trauer und Mitleid für
das lyrische Ich.
Honeck dirigierte fantastisch und das Orchester schien auch
zufrieden mit dem kurzfristigen Dirigentenwechsel. Leider waren in der 4. Reihe
(dort saßen zwei Freunde aus meinem Studium) laute Brumm- und Atemgeräusche zu
hören. In der 15. Reihe machte sich das nur beim Tschaikowsky dezent bemerkbar.
Ich frag mich immer, ob den Dirigenten dies bewusst ist oder es sich um eine
unkontrollierbare Reaktion handelt, die aus Versunkensein in die Musik, in den
Moment resultiert.
Tschaikowskys „Pathétique“ ist ein fabelhaftes Werk. Er
selbst hat sich damit eine Art Abschied geschrieben. Sehr passend zum vorher Gehörten
gibt es Tänze, Hoffnung, Sehnsucht und Enttäuschung zu hören. Die leisen
Stellen sind auch hier besonders hervorzuheben. Eine so sehnsuchtsvolle, leise,
präzise und warmschöne Klarinette habe ich selten gehört. Im dritten Satz,
zeigt das Orchester wie laut es kann, sehr laut sogar und schnell. Für mich klingt
es an diesen Stellen etwas „gewollt“ von Seiten des Dirigenten. Das Publikum
kann sich nach einer solchen Auftürmung von Klängen jedoch nicht zurückhalten
und folgt dem Impuls lautstark zu klatschen und zu jubeln. Ich frage mich, ob
diesem Impuls nachgegeben werden sollte oder ob es das Stück nicht zerpflückt.
Der letzte Satz war das eigentliche Highlight des Konzertes. Das Orchester legt
sich in die Instrumente, schmiegt sich an sie, was in den Streichern auch
optisch wahrzunehmen ist. Ein dichter Klang (vielleicht stimmt es, dass die
Proben im neuen Raum noch enger zusammengebracht haben), lange legato-Phrasen,
die eine Requiematmosphäre heraufbeschwören. Der große Abschied, der nach dem
leisen Ende eine gute halbe Minute vom Publikum betrauert wird. Ruhe. Absolute
Stille. Wunderschön, zum Weinen! Danke!
___
NDR Elbphilharmonieorchester
Florian Sempey (Bariton)
Manfred Honeck (Dirigent)
Laeiszhalle am 26.11.2016
___
NDR Elbphilharmonieorchester
Florian Sempey (Bariton)
Manfred Honeck (Dirigent)
Laeiszhalle am 26.11.2016