Samstag, 26. November 2016

Ein emotionaler Abend - NDR


Drei Enttäuschungen, drei Stücke. Viel Hoffnung und Trauer, Liebe und Tod. Die Auswahl der Stücke hätte nicht besser sein können.

Das gestrige Konzert vom NDR Elbphilharmonieorchester mit Manfred Honeck (Dirigent) und Florian Sempey (Bariton) war alles in allem wunderbar und vor allem emotional. Es begann mit einer mir nicht bekannten Orchesterfassung von Dvořáks Oper „Rusalka“ (Wikipedia: Rusalka (Oper)). Zusammenspiel allerdings schnell vor den Augen. An einigen Stellen jedoch ist das Stück recht kitschig, da musste auch mein Nachbar ein wenig lachen. Die Streicher hatten einen wunderbar homogenen Klang und das Zusammenspiel von Holz und Bässen ist nur als zauberhaft zu beschreiben. Dvořáks musikalisches Tanzgewirr ist wie für das Orchester geschrieben. Die Eröffnung des Konzerts gelingt.

Florian Sempey war eine Erscheinung für sich. Ganz Opernsänger zog er einen mit Chaussons „Poème de l’amour et de la mer“ (Übersetzung) in den Bann der Geschichte. Seine Stimme hat eine wunderbar dunkle Farbe und ist in jeden Fall über das Orchester, welches das gesamte Stück über schillernde Klänge produziert, hinaus hörbar. Teils gab er jedoch so viel Kraft, dass es zu viel für den Raum war. Seine leisen Töne waren die überzeugendsten. Und wie überzeugend! Dramatisch und im Geschehen versunken singt er, nein lebt jeden einzelnen Satz und sogar seine Pausen. „Die Seele meines Daseins ist mir entrissen...“, das Publikum wird hineingesogen. Auch im Pausengespräch mit Freunden war sofort Thema, wie sehr sie sich persönlich angeschaut und angesprochen fühlten. Jede/Jeder war die verlorene Liebe. Am Ende blieb eine Mischung aus eigener Trauer und Mitleid für das lyrische Ich.

Honeck dirigierte fantastisch und das Orchester schien auch zufrieden mit dem kurzfristigen Dirigentenwechsel. Leider waren in der 4. Reihe (dort saßen zwei Freunde aus meinem Studium) laute Brumm- und Atemgeräusche zu hören. In der 15. Reihe machte sich das nur beim Tschaikowsky dezent bemerkbar. Ich frag mich immer, ob den Dirigenten dies bewusst ist oder es sich um eine unkontrollierbare Reaktion handelt, die aus Versunkensein in die Musik, in den Moment resultiert. 

Tschaikowskys „Pathétique“ ist ein fabelhaftes Werk. Er selbst hat sich damit eine Art Abschied geschrieben. Sehr passend zum vorher Gehörten gibt es Tänze, Hoffnung, Sehnsucht und Enttäuschung zu hören. Die leisen Stellen sind auch hier besonders hervorzuheben. Eine so sehnsuchtsvolle, leise, präzise und warmschöne Klarinette habe ich selten gehört. Im dritten Satz, zeigt das Orchester wie laut es kann, sehr laut sogar und schnell. Für mich klingt es an diesen Stellen etwas „gewollt“ von Seiten des Dirigenten. Das Publikum kann sich nach einer solchen Auftürmung von Klängen jedoch nicht zurückhalten und folgt dem Impuls lautstark zu klatschen und zu jubeln. Ich frage mich, ob diesem Impuls nachgegeben werden sollte oder ob es das Stück nicht zerpflückt. Der letzte Satz war das eigentliche Highlight des Konzertes. Das Orchester legt sich in die Instrumente, schmiegt sich an sie, was in den Streichern auch optisch wahrzunehmen ist. Ein dichter Klang (vielleicht stimmt es, dass die Proben im neuen Raum noch enger zusammengebracht haben), lange legato-Phrasen, die eine Requiematmosphäre heraufbeschwören. Der große Abschied, der nach dem leisen Ende eine gute halbe Minute vom Publikum betrauert wird. Ruhe. Absolute Stille. Wunderschön, zum Weinen! Danke!

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NDR Elbphilharmonieorchester
Florian Sempey (Bariton)
Manfred Honeck (Dirigent)
Laeiszhalle am 26.11.2016

Donnerstag, 24. November 2016

Motivation

Warum mach ich das hier eigentlich? Das ist die Frage, die sich sicher jeder stellt, der einen Blog anfängt. Die Idee kam ganz plötzlich. Gestern. Ich bin eine recht impulsive Person und lasse mich sehr schnell von meinen und anderen Ideen begeistern. Statt lange zu überlegen und zu warten, hab ich gleich angefangen. Oft traue ich mich nicht, längere Texte zu verfassen. Aus dem Studium kenne ich die Hemmschwälle, endlich mit der Hausarbeit anzufangen nur zu gut. Aber Musik, die Begeisterung für Musik hat mich noch nie verlassen. Ich besuche regelmäßig Konzerte sowohl von Laienchören, dem NDR Elbphilharmonieorchester (an den neuen Namen muss ich mich erst gewöhnen), gehe in die Staatsoper, gucke dem Hamburg Ballett zu, genieße Konzerte an den Hochschulen in Hamburg und Hannover und sauge vieles auf, was in Hamburg und Umgebung erklingt. Außerdem bin ich auch leidenschaftliche Theatergängerin. Mit den vielen Bühnen, die Hamburg zur bieten hat, fühle ich mich gesegnet. Journalistin zu werden, war nie ein Wunsch oder Traum. Ich habe zwar Musik, Germanistik und Theologie studiert, für mich oder gar die Öffentlichkeit zu schreiben, ist jedoch nie im Fokus gewesen. Warum dann diesen Blog? Ich bin einerseits etwas unzufrieden mit den Mainstream-Berichterstattungen von Veranstaltungen, die mir die Musik/Inszenierung etc. zu sehr verschönten oder gar zerrissen, nur um etwas reißerisches zu schreiben. Ich liebe Differenzierung und Reflektiertheit. Alles hat mehr als eine Seite. Ehrlichkeit ist mir ein Gut, dass ich trotz Sorge über vertanes Networking, gekränkte namenhafte Darsteller_innen oder Regisseure/Regisseurinnen, hochhalten möchte. Das heißt nicht, dass ich besonders auf Negatives aufmerksam machen möchte, es heißt nur: subjektive Ehrlichkeit. Der einseitige Zeriss der neuen Inszenierung der Zauberflöte in Hamburg in den Medien führte m.E. klar zur leeren Staatsoper zu den Aufführungen, wobei in dem Stück sehr viel Schönes zu finden war. Ein Chorprojekt mit einer Menge Uraufführungen (Neuvertonungen von Psalm 116) des Kammerchores "vOkabile" war verglichen mit deren Potential einigermaßen gescheitert und wurde u.a. vom NDR und vom Abendblatt hochgelobt. Selbst nach einem zweiten Konzertbesuch war ich noch verdattert von den Lobgesängen auf das Konzept und die wirklich nicht gute Umsetzung. Also: Ich bin noch recht jung, unerfahren was das Schreiben von Kritik angeht, spreche allerdings die Sprache der Musik seit ich klein bin. Ich mag vielleicht nicht sofort alles in perfekte Wortkleider packen können, aber Musik ist meine Sprache. Schreiben kann man lernen. Übung macht die Meisterin und Kritik sollte offen für Kritik sein. Also los gehts :)