Donnerstag, 19. Juli 2018

Bayreuth - Das Mekka für Wagnernerds und Businesspeople

Nach ein paar Tagen Frankfurt und Entspannung ging es Mittwoch früh los nach Bayreuth. Mein erstes Mal. Schon in der Bahn bin ich leicht aufgeregt. Wie ein kleines Kind vor Weihnachten sitze ich da und warte bis ich endlich ankomme. Dann am Hauptbahnhof erst mal Verwirrung, wo geht’s raus? Süße Kleinstadt, in der einem Wagner schon von der ersten Litfaßsäule entgegenspringt. Wagner am Klavier, Wagner-Vortrag, Wagnerfestival in Budapest (genialer Werbeslogan: „No tickets for Bayreuth? Budapest has a Wagner festival, too“)! Viele Bewohner von Bayreuth können Wagner nicht mehr sehen, wollen gar nicht zu den Festspielen, dabei werden sogar an einige Studierende der dortigen Uni Generalprobenkarten vergeben.

Nachdem ich also mein Gepäck verstaut habe, geht’s auf zum Hügel. Das erste Mal diesen so magischen Ort zu sehen, stellt man sich immer anders vor als es ist. Auch nur ein Haus mit Wiese davor, das Motiv schon hunderte Male gesehen. Aber es ist doch etwas Besonderes, zumindest wenn man dann nach Ticket- und Ausweißkontrolle reinkommt. Nachdem man so einige Opernhäuser von außen und innen gesehen hat, ist dieses nicht besonders beeindruckend durch Schönheit, aber sobald die Oper anfängt, merkt man den riesigen Unterschied. Meine erste Oper hier ist auch noch der Parsifal – für dieses Haus, diese Akustik komponiert. Sofort merkt man noch deutlicher als überall anders, dass Wagner vom Text her kommt, dass seine Opern Gesamtkunstwerke sind und was er damit meinte. Die Sänger müssen nicht schreien, sie können singen und erzählen, alles ist gut zu hören.

Da man über Generalproben nicht berichten darf, auch aus gutem Grund, will ich von anderen Dingen schreiben. 
Das Publikum ist wirklich einzigartig. Vom Wagnernerd mit Partitur in Jeans bis zum reichen Geschäftsmann, der sich ein Stück Mensakuchen für knapp 6 Euro kauft und dazu viel zu teuren Weißwein trinkt. Das Wetter ist super und alle vergnügt, nicht wenige versuchen sich in den Pausen zwischen den drei Akten (6 ½ Stunden Gesamtdauer) auf dem Rasen ein wenig auszuruhen oder mit Sekt aufzuputschen. Das Beste, nach der Musik natürlich, ist die Klofrau. Ja, wirklich! Die hat Humor, ist eifrig und macht ein Event aus sonst Nervigem. Sie belustigt alle Frauen in den Pausen mit ihren Sprüchen: „Ein Plätzchen an der Sonne für Sie“ – „Hier noch ein Schattenplatz“. So entspannt waren Pausen (die hier ca. eine Stunde dauern) lange nicht in der Oper.

Parsifal hat nicht gerade den Vorteil, dass die Musik (außer ein wenig im 2. Akt) einen von der schleichenden Müdigkeit, die auch von der Wärme im Haus kommt, ablenkt. Luftige Kleidung und Wasser in den Pausen sind unverzichtbar. Der überteuerte Espresso hilft zwar etwas, aber um 22.30 Uhr gehe ich total erledigt, aber von der unglaublich ergreifenden Musik erfüllt zurück zum dringend ersehnten Schlafplatz. Meine Flipflops konnte ich kostenlos an der Garderobe abgeben und so laufe ich entspannt zu Fuß an den mit Sänger, Fans, Musikern und anderen Menschen bereits gut gefüllten Restaurants vorbei. Schon zur GP-Zeit ist hier viel los. Da bin ich mal gespannt auf die volle Dröhnung Festspiele im August. Dann auch mehr zur Musik... ;)

Jetzt wieder in München - Morgen zum Rheingold an der Staatsoper mit Petrenko!
Stay tuned!

Montag, 16. Juli 2018

Der frühe Vogel fährt mit der Bahn! Urlaub mit Musik - Teil 1

Am Freitag klingelt der Wecker kurz nach vier. Und ich bin kein Frühaufsteher! Aber es war so verlockend für grad mal 22 Euro direkt von Hamburg nach München zu fahren und schon um 12 Uhr anzukommen. Schließlich habe ich Pläne für den Abend! Eine Freundin hat Premiere mit ihrem Stück „Bound\aries“ an der Theaterakademie August Everding. Fliegen ist für mich bei so einer Strecke sowieso keine Option. Der Emissionsvergleich (1/6-tel CO2, kaum Feinstaub) ist eindeutig. Zeit (und Geld) spart man inkl. Check-in und Fahrt zum und vom Flughafen auch nicht.

12.15 Uhr München. Kaum Verspätung und die ganze Zeit zwei Plätze für mich gehabt, komme ich das erste Mal in München an. Gepäck bei der Freundin verstauen, erster Versuch etwas von der Innenstadt zu sehen, obligatorisches Foto von der heißgeliebten Staatsoper machen – dann Theater. Wie wird das wohl werden? Eine freie Theatergruppe, Studierende der Akademie, ein Stück über Grenzen – eher eine Performance und dann auch noch eine Freundin, der ich sagen muss wie ich es fand? Super! Eine schlichte, aber Atmosphäre kreierende Bühne mit aufwendigerer Hinterbühne, die später Teil der kurzen Publikumsbeteiligung wird. Ein Stück, dass von Improvisation, Gespräch, Videoaufnahmen und den Grenzen und Grenzüberschreitungen der Beteiligten lebt. Dabei ist es nicht belehrend platt, sondern beschäftigt sich sehr humorvoll und intelligent mit den persönlichen Grenzen der Darstellerinnen und auch mit dem Phänomen an sich.
Viel gelacht und trotzdem bleibt was hängen! Mach ich sowas auch? Teste ich meine Grenzen? Mache ich Dinge, die toll sein könnten, obwohl sie mir Angst machen oder sie in der Gesellschaft eher als unnormal gelten, vor denen soziale Grenzen gezogen sind? Ja! Ich verreise allein. Das ist schon mal eine Sache, die viele Leute extra betonen müssen indem sie fragen: „Und mit wem fährst du?“ oder „Ach du fährst alleine in den Urlaub?“ – „Ja, tu‘ ich!“ – Das ist nicht immer einfach, aber man kann ja Menschen begegnen, Unbekannten und Freunden und sehr selbstbestimmt Reisen. Das Theaterstück war jedenfalls schon ein super Anfang! Für alle Münchner eine klare Empfehlung: https://www.facebook.com/events/275034063072616/

Am zweiten Tag kam natürlich, wie sollte es anders sein, Musik! Aber vorher war ich noch spontan auf dem CSD München! Wie großartig Menschen sein können und dass Bayern auch anders kann, ist so berührend. Menschen jeder Couleur, egal wie sie aussehen, wen sie lieben, gesund oder mit Handicap, froh oder unglücklich, hier sind alle willkommen. Und das sind beim CSD nicht nur leere Worte. Das Gefühl von Akzeptanz schwebt in der Luft und so gehe ich zusammen mit unglaublich lieben Pflegekräften für genau diese Akzeptanz tanzend demonstrieren.


Am Abend geht’s dann ins Prinzregententheater, wo Günther Groissböcks Liederabend mit Brahms, Schumann, Tschaikowsky und Rachmaninoff stattfindet. Zwar ist er nicht bekannt für seine Liederabende, aber seinen sehr guten Charakterrollen-Bass aus der Oper findet man besonders bei den russischen Liedern wieder. Mit vollem Gefühl und so wie es aussieht allem was er hat, geht er die emotional schweren Lieder an und reißt das Publikum mit in die düsteren Welten der Bibelverse und Gedichte rund um Tod, Liebe und Leid. Ein toller zweiter Abend in München!
Nun ein kurzer Abstecher nach Frankfurt und am Mittwoch dann nach Bayreuth zur Generalprobe vom Parsifal (auch wieder mit Groissböck). Was habe ich für ein Glück und tolle Freunde! Und ja, ich reise alleine, aber bisher ist es, wie letztes Jahr, großartig!

 

Donnerstag, 12. Oktober 2017

Wir sollten öfter allein sein…

...zumindest in Konzerten. „Nehmen Sie ALLEIN Platz. Kommen Sie zur Ruhe. Lassen Sie Ihren Alltag draußen…“, schrieben die Veranstalter auf den Handzettel mit dem Programm für den Abend. Die Toepfer Stiftung hat 100 Hamburger_innen eingeladen (teils über ein Gewinnspiel), in den Resonanzraum St. Pauli zu kommen und sich ALLEIN SOLO-Stücke für Geige und Cello von Bach anzuhören.
Ich gehe recht häufig allein in Konzerte, Opern oder Theatervorstellungen. Es war also erst mal nichts Neues für mich, dass man nur eine einzelne Karte gewinnen konnte. Das Konzept, dass diesmal alle allein kommen sollten, fand ich allerdings spannend. Ich kam in den Bunker in St. Pauli rein und es standen viele Leute vor der Tür des Resonanzraums. Man sah, dass sich ein paar Leute nicht daran gehalten haben, allein zu kommen. Der Rest allerdings stand etwas unsicher ohne Begleitung davor und wartete. Nach dem Einlass konnte man sorgfältig aufgebaut einen fast geschlossenen Kreis bestehend aus einzelnen Stühlen um das kleine Podest mit Klavierhocker sehen, das von einem Kronleuchter angestrahlt wurde. Man hatte also nicht mal einen wirklichen Sitznachbarn. Jeder war für sich allein. Und so war es dann auch im Konzert.
Die Cellistin Saerom Park nahm ihren Platz in der Mitte des Kreises ein und nach ungefähr fünf Minuten Stille fing sie an die C-Dur Suite von Bach zu spielen. Sofort war klar: das ist kein normales Konzert, wo eine Künstlerin auf der Bühne sitzt und alle nur zuschauen. Jede_r war auf sich allein gestellt, aber alle zusammen kreierten die Atmosphäre. Man hatte keinen Nachbarn zum Festhalten, keine Stühle vor sich, um sich zu verstecken, sondern saß völlig einsehbar allein auf seinem schwarzen Stuhl im Halbdunkel. Park spielte mit geschlossenen Augen, mit einer Hingabe und so viel Seele, dass ich sofort berührt war. Jeden Moment hätte ich anfangen können zu weinen. Das Format und Park mit ihrer Musik forderten einen auf, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Es geht m.E. über ein Innehalten hinaus, das die Veranstalter im Sinn hatten. Jede_r wird dazu gebracht bei sich selbst zu bleiben und sich selbst zu begegnen. Das Publikum war unglaublich still, ein Spannung lag im Raum, wie ich sie in Konzerten eher selten wahrgenommen habe. Jeder ist bei sich, bei Bach, mit der Cellistin und ihrem Ausdruck. Melancholie darf seinen Platz haben und jede starke Emotion ist hier richtig. Man darf sich den Weiten seiner Gefühlswelt hingeben: Das eigene Empfinden von Liebe, Traurigkeit, Schönheit und Leiden werden unter die Lupe genommen.

Wir sollten öfter allein sein…

… zeigt auch das Spiel von Swantje Tessmann. Sie jagt durch die Partita in d-Moll. Steht nicht in der Mitte, sondern an einem Ende des „Kreises“ mit Notenständern. Hektik kommt auf. Sie atmet schwer. So schnell habe ich noch keins der Stücke aus der Partita gehört. Jetzt, wo man allein in dieser emotional aufgeladenen Situation ist, fühle ich sofort mit der Violinistin mit. Nicht nur, weil ich das Stück selbst schon gespielt und noch öfter gehört habe, sondern weil sie eine Form von Nervosität und Panik ausstrahlt -  das hört man auch in der Musik. Fabelhaft sauber und mit einem wunderschönen Klang säbelt sie durch die Partita. Das scheint sich auf den ersten Blick zu widersprechen, aber Tessmann ist eine tolle Instrumentalistin, das hört man sofort. Nur treibt es sie und damit auch uns Zuhörer_innen in ein Alleinsein, dass im Gegensatz zur Innerlichkeit am Anfang jetzt aus dem Nichtaushalten können besteht. Sie wirkt alleingelassen mit ihren Noten, an denen sie sich festhält. Was mach ich hier eigentlich? Kann ich das? Wie halte ich das aus? Ich werde aufgeregt, weiß nicht, ob ich es schaffe, das mitzufühlen und versuche mich zu entspannen. Es gelingt nicht wirklich. Dann entscheide ich mich dafür, die Hektik zu genießen. Das überaus menschliche Gefühl wahrzunehmen, aufzunehmen und anzunehmen. Ich fange sogar an zu lächeln, was von außen wahrscheinlich etwas dämlich aussah, falls überhaupt jemand etwas außer sich (und der Violinistin) wahrgenommen hat. Jede Note wurde mit so einer Bestimmtheit gespielt, jeder Ton musste da sein, jeder Doppelgriff unbedingt ganz hörbar, sodass alle Leichtigkeit vom Anfang verflogen war. Dann ist die Partita zu Ende. Es gab überhaupt nur zwei kurze Momente im Stück, an denen Sie sich die Ruhe gönnte und den Tönen und uns Luft ließ.
Was für eine Erfahrung! Und ich war vorher noch kurz unentschlossen hinzugehen, immerhin war es schon so dunkel und die Karte war ja kostenlos. Richtige Entscheidung getroffen! Das war eine der besten Erfahrungen mit Musik, die ich seit sehr langer Zeit gemacht habe. Allein ist man öfters, aber nicht unbedingt so: durch Musik und Format auf sich zurückgeworfen, nicht abgelenkt und ganz. Ich kann nur hoffen, dass es mehr dieser Projekte geben wird. Musik wie sie am eindrücklichsten ist: in intimer Atmosphäre, bei toller Akustik, gespielt von tollen Musikerinnen und allein, für sich, mit mir.

ALLEIN. Solowerke von J.S. Bach
11. Oktober 2017

Es spielen: Saerom Park (Violoncello), Swantje Tessmann (Violine) - Mitglieder des Ensemble Resonanz

PROGRAMM:

Johann Sebastian Bach

Suite Nr. III C-Dur für Violoncello solo, BWV 1009
Partita Nr. II d-Moll für Violine solo, BWV 1004

Sonntag, 13. August 2017

Urlaub mit Musik - Luzern

Ich bin zum ersten Mal in der Schweiz und dann gleich in Luzern. Bekannt ist die Stadt für den Vierwaldstättersee, das Lucerne Festival und die KKL Luzern, zumindest unter Musikliebhabern. Eine Akustik, welche die Elbphilharmonie gerne geschlagen hätte. Optisch ist die Elbphilharmonie natürlich schon eine Nummer größer.
Erst einmal ein paar kurze Fakten: den tollen Ausblick teilen sich beide Konzerthäuser. Ob man Hafenromantik und Hamburg oder Berge, See und Luzern schöner findet ist Geschmackssache. Die KKL Luzern hat jedenfalls mehr Damentoiletten ;) und freies WLAN. Was universell zu sein scheint, selbst unter den sehr elitär wirkenden Besuchern des Lucerne Festivals, ist das fiepende Hörgerät älterer Hörer_innen. 
Als ich meinen Urlaub plante, dachte ich gleich, wenn ich schon in Luzern bin, dann muss ich natürlich auch in diesen hochgelobten Saal. Ich habe gleich zwei Programme hören dürfen. Am Freitag das Eröffungsprogramm mit dem Lucerne Festival Orchestra unter Riccardo Chailly mit Strauss, Strauss und Strauss und Sonntag das Chamber Orchestra of Europe unter der Leitung von Bernard Haitink mit Mozart und Liedern von Mahler - einmal Reihe 14, einmal 23.

Ich liebe Richard Strauss‘ Orchestermusik. Genau das Richtige, um den Saal kennenzulernen. Bei „Also sprach Zarathustra“ konnte man viele verschieden Klänge hören. Die Akustik ist wunderbar – der Saal strahlt viel Wärme aus, hörbar warme Bässe und auch Kammermusikalisches wird bis hinten in den Saal klar transportiert. Genau mein Geschmack! Die Klangmischung hat natürlich Auswirkungen, man hört nicht jedes einzelne Instrument im Gesamtklang so klar wie in der Elbphilharmonie, aber dafür gibt es eben einen warmen Gesamtklang :)
Das aus Musikern verschiedenster Orchester zusammengewürfelte Festivalorchester spielte für die kurze Probenzeit sehr harmonisch und es klapperte nichts. Die Probenart von Chailly durfte ich auch miterleben und es war wirklich ein Genuss. Er war immer gut drauf und vermittelte seine Vorstellungen mit Geduld und Leidenschaft. Genauso dirigiert er auch – mit Leidenschaft.
Im Orchester besonders aufgefallen ist mir der Oboist Lucas Macías Navarro. Sein Spiel ist ein Traum – sauber, leidenschaftlich, große Phrasen. Auch die 1. Trompete, gespielt von Reinhold Friedrich, war sehr gut und er erfreute sich sichtlich an der Musik, auch wenn er nicht spielte. Sollte eigentlich nicht überraschend sein, schließlich ist das für viele eigentlich die Sommerpause, die sie „arbeitend“ in Luzern verbringen. Der Konzertmeister beim ersten Stück war ebenfalls sensationell. Etwas Italocharme versprühte der junge, in Berlin geborene Geiger mit dunklen Locken. Aber er beherrscht nicht nur die Show, sondern war auch mit vollem Einsatz und wahnsinnig perfekter Intonation bei der Sache. Leider wechselten die Konzertmeister sich für die Stücke ab.
Das gesamte Holz war fast immer super sauber und Chailly schaffte es bis zum Ende sehr viel Spannung aufzubauen. Als Zugabe wurde Salomes Tanz gespielt. Welch herrliche Auswahl! Wolfram Christ an der Bratsche im Wechsel mit der hervorragenden Oboe ist ein Genuss-Bonus! Alles in allem ein sehr strausslastiges und schönes Konzert!
Wenn ich jetzt schon viel gelobt habe, wie soll man über ein so überraschend perfektes Orchester, wie das Chamber Orchestra of Europe schreiben? Aber Perfektion ist nicht alles und das stimmte hier leider wirklich. Das Konzert ist zweigeteilt und meine Meinung ist es auch. Haitink dirigiert einen m.M. nach sehr langweiligen Mozart (Linzer Sinfonie). Ist der erste Satz noch gut und klingt wie von einer CD, so wird der zweite Satz leider durch zu viel piano, eine ständige Überspannung ohne Lösung durch Ausbrüche bzw. Kontraste zu einem unschönen Andante. Zum Ende hin bessert es sich noch, allerdings übertreibt er jedes Staccato und jede Pause, dafür hört man jeden einzelnen Ton jedes Laufes in den Streichern - schon sehr bewundernswerte Präzision. Alle sind eigentlich immer sehr genau zusammen und klanglich homogen. Das Orchester ist bis zum letzten Pult gefüllt mit leidenschaftlich spielenden Musiker_innen, das hört und sieht man.
Zum Glück liegt der Mahler Haitink wohl mehr und es gibt noch eine Kehrtwende. Anna Lucia Richter und Christian Gerhaher singen ausgewählte Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“ von Mahler. Das Orchester begleitet nuanciert und mit großen Phrasen, sehr bildlich spielend. Bis auf die Trompeten und Klarinetten ist einfach alles herrlich am CO of Europe. Die Rollenaufteilung der beiden Sänger ist leider bis auf den Schluss recht klischeehaft. Sie singt die süßen und albernen Stücke und er die ernsten Soldatenlieder. Anna Lucia Richter ist auch eine wirklich gute Schauspielerin und verzückt den Saal mit ihrem Esel, ihrer schüchternen jungen Frau und zum Glück zum Schluss auch mit dem verhungernden Kind (klingt jetzt etwas makaber). Meine Highlights des Konzerts sind jedoch die Stücke „Wo die schönen Trompeten blasen“, „Revelge“ und „Urlicht“. Christian Gerhahers Piano ist wunderschön, wenn man es hören kann. Leider verschwinden die Frequenzen manchmal im Orchesterklang. In den drei genannten Stücken jedoch kommt es zur vollen Geltung und bei Urlicht brechen die Tränen aus mir heraus. Welch ein Stück, was für eine zauberhaft zarte Stimme – sagenhaft! Luzern, du hast zwar auch Regentage, aber diese zwei Konzerte waren es – zusammen mit den Sonnentagen ;) – auf jeden Fall wert herzukommen! Urlaub mit Musik, das mach ich wieder!


Riccardo Chailly  Dirigent


Richard Strauss (1864–1949)
Also sprach Zarathustra op. 30
Tod und Verklärung op. 24
Till Eulenspiegels lustige Streiche op. 28


Christian Gerhaher  Bariton

Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791)
Sinfonie C-Dur KV 425 Linzer Sinfonie
 
Gustav Mahler (1860–1911)
Ausgewählte Lieder aus Des Knaben Wunderhorn